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„Wien ist eine Stadt, die für alles gut ist“

Interview

„Wien ist eine Stadt, die für alles gut ist“

Der montenegrinische Autor Stefan Bošković war im September und Oktober 2022 in Kooperation mit dem BMEIA als Writer-in-Residence zu Gast im MQ.

In einem Gespräch mit der Literaturübersetzerin Mascha Dabić erzählt er von seinen Erfahrungen und von den Anregungen, die er durch seinen Aufenthalt in Wien bekommen hat.

Mascha Dabić: Ist Wien eine gute Stadt zum Schreiben?

Stefan Bošković: Mein Gesamteindruck ist, Wien ist eine Stadt, die für alles gut ist. Diesen Eindruck habe ich nicht nur auf Grund meines zweimonatigen Aufenthalts gewonnen, sondern auch im Hinblick auf die Zukunftsaussichten dieser Stadt. Grundsätzlich kann jede Stadt zum Schreiben inspirieren. Es kann sogar der Fall sein, dass kleinere Städte mit einem kargen kulturellen oder sonstigen Angebot sich besonders gut eigenen, um dort zu schreiben. Wien ist jedenfalls eine prächtige Stadt voller Inhalte, was in der Tat ein Problem für jene Autorinnen und Autoren sein kann, die dort eine Residency haben – schließlich macht es mehr Spaß, durch die Stadt zu spazieren als zu schreiben. In meinem Fall hängen die beiden Aktivitäten zusammen: Das Schreiben erschöpft mich, aber wenn ich herauskomme und spazieren gehe, lade ich meine Batterien wieder auf, und die Ideen kommen auch.

Wie fühlst du dich im MQ? Fühlt es sich für dich seltsam an, mitten in einem öffentlichen kulturellen Raum zu wohnen, wo es von Tourst:innen und Künstler:innen nur so wimmelt?

Es fühlt sich weniger seltsam an, vielmehr wie ein Privileg. Der Umstand, dass ich im MQ wohne, ist wohl der faszinierendste Aspekt meiner Residency. Ich habe mich noch nie in einer solchen Kontinuität in einem kulturellen öffentlichen Raum aufgehalten, und irgendwann kommt der Moment, wo du dich tatsächlich als zu diesem Raum zugehörig empfindest, und somit kristallisiert sich die Idee heraus, wer du eigentlich bist und womit du dich tatsächlich beschäftigst. In einem anderen Ambiente, wo man seinen Alltagsverpflichtungen nachgehen muss, ist es schwerer, sich dessen bewusst zu werden. 

Wien ist für seine „Yugo-Community“ berühmt. Wie war es für dich, Menschen aus Ex-Jugoslawien in Wien kennenzulernen? Hast du in anderen Städten ähnliche Erfahrungen gemacht, oder sticht Wien durch seine geographische und kulturelle Nähe hier besonders heraus?

In jeder Stadt gibt es Communities. In Wien ist die „Jugo-Community“ wirklich beeindruckend groß. Aber ich bin ein Mensch, der sich in keiner Community restlos wohlfühlt, ganz gleich in welcher. Für mich war es immer eine Herausforderung, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Das gilt ganz besonders für die Jugo-Community außerhalb Jugoslawiens. Eigentlich brauche ich eine Pause von „unseren Leuten“, daher bleibe ich im Ausland eher auf Distanz zu meinen Landsleuten. In den zwei Monaten in Wien habe ich einige großartige Menschen kennengelernt, von denen ich viel Neues lernen konnte, unter anderem Barbi Marković.

Was bringt es einem Schriftsteller, sich eine Zeitlang in einer anderen Stadt, in einem anderen Land aufzuhalten?

In erster Linie Sichtbarkeit. In meinem Fall war die Residency nicht nur ein angenehmer Ort zum Schreiben, sondern, was viel wichtiger ist, es bietet mir die Möglichkeit, als Autor vor ein „fremdes“ Publikum zu treten. Erst da kannst du die Grenzen deines eigenen Schreibens ausloten, du kannst deine schriftstellerische Perspektive beim Bearbeiten von Themen und Ideen testen, du kannst dich mit der Frage beschäftigen, ob deine Themen eine universale Dimension haben oder womöglich lokaler sind, als dir selbst bewusst war. Davon hängt es auch ab, ob du dich in einer anderen Umgebung, in einer anderen Kultur, als Autor durchsetzen kannst.

Hat Wien dich inspiriert, neue Themen in Angriff zu nehmen?  Oder wird sich das erst mit der Zeit herauskristallisieren, wenn die Eindrücke sich gelegt haben werden?

Ja, sehr sogar. Die Inspiration offenbart sich in der Regel erst mit Verspätung, durch Erinnerungen. Diesmal war es nicht unbedingt so – schon während meines Aufenthaltes kamen mir einige Ideen, in erster Linie für kürzere Formate, für Kurzgeschichten, oder vielleicht für eine ganze Kurzgeschichtensammlung.

 

Stefan Bošković, geboren 1983 in Podgorica, ist Dramaturg am Montenegrinischen Nationaltheater und Dozent an der Fakultät für Darstellende Künste. Als Schriftsteller ist er für den pornografischen Roman Šamaranje (2014) und die Kurzgeschichtensammlung Transparentne životinje (2018) bekannt. Bošković ist auch in anderen Genres tätig, er hat Drehbücher für Theaterstücke, Spiel- und Kurzfilme, Sitcoms und Dokumentationen geschrieben und ist Gründungsmitglied einer alternativen Theatergruppe.

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