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Der Künstler Edgar Honetschläger im Gespräch mit Kurator Marcello Farabegoli

Interview

Der Künstler Edgar Honetschläger im Gespräch mit Kurator Marcello Farabegoli

Interview im Rahmen der Ausstellung "Japan Unlimited"

Marcello Farabegoli: Ich hatte das Vergnügen, Dich 2014 in Triest kennenzulernen, wo ich Dich beim "Salotto Vienna" präsentieren durfte. Wir sprachen damals über Deinen monumentalen Film "Los Feliz", in welchem gigantische Malereien von Dir mit klassischem Film verschmelzen. Damals sprachst Du von der Macht des Bildes.

Edgar Honetschläger: oh gott, darueber koennte man ein buch schreiben. nur kurz: LOS FELIZ verbindet mit hilfe von gemalten bildern ROM mit LOS ANGELES - die beiden wichtigsten zentren der manipulation. jahrhunderte hatte die katholische kirche den denkbar groessten einfluss auf die menschen, indem sie kuenstler kommissionierte, ihre inhalte in eindrucksvolle bilder umzusetzen, im 20. jhdt. uebernahm diese rolle dann HOLLYWOOD. amerika manipuliert die welt in erster linie ueber die bilder die es in die welt setzt. in LOS FELIZ lasse ich den teufel, die japanische prinzessin des grases (shinto) und eine junge dame, die beruehmt werden moechte, durch ein fiktives, gemaltes und gezeichnetes AMERIKA fahren - eine sieben-tages-reise, wie die genesis. eine monstroese panorama-maschine wurde geschaffen, auf der bilder (4x16 meter), die ich in japanischer tinte gemalt hatte, im loop dahinfahren - davor steht ein mercedes aus den 50iger jahren. nicht das auto bewegt sich, sondern die landschaft dahinter und so entsteht die illusion, dass das auto faehrt. angetrieben wird diese kuenstliche welt von drei kardinälen, die auf schultern uebereinander stehen und an einer kurbel drehen, die die welt bewegt. und wenn die drei protagonisten aussteigen, dann finden sie sich in einem durch und durch gezeichneten ambiente - von der tankstelle bis zum restaurant. so entstand ueber 14 jahre (!) das erste roadmovie, das in einem studio gedreht wurde. www.losfeliz.at

still aus "Los Feliz" © Edgar Honetschläger

In welchem Alter und warum bist Du nach Japan gegangen?

ich war ende zwanzig. ich hatte zuvor 3-4 jahre in NEW YORK gelebt und der zweite golfkrieg hatte begonnen. die stimmung in manhattan war enterisch. ich ging mit freund*innen nach washington vors weisse haus demonstrieren. es war die zeit der wirtschaftsblase in japan, die japaner kauften in ihrem glauben amerika oekonomisch ueberholen zu koennen wichtige amerikanische symbole, wie das empire state building, die columbia studios, die dann auf sony umbenannt wurden etc. in der politik wie in den medien herrschte schlimmes japan bashing. aber in manhattan gab es mehr und mehr japanische galerien, art dealer etc. und einer von denen entdeckte meine arbeit und meinte: du arbeitest mit dem raum wie ein japaner, das kommt bei uns gut an. fahr doch mal rueber. vollkommen abgeturned von den USA ob der politischen dreistigkeiten borgte ich geld von einem freund, um den flug nach japan bezahlen zu koennen. als ich ankam, passierte etwas eigenartiges. auf dem flughafen NARITA erfasste mich ein heimatgefühl. ein gefuehl, das ich vorher nicht gekannt hatte, denn ich habe mich in oesterreich nie zu hause gefuehlt. ich habe mich nie wo zu hause gefuehlt. ich traue menschen nicht, die behaupten, sie liebten ihre heimat. was soll das sein? der nationenbegriff, der sehr spaet in der geschichte der menschheit kommt, ist abzulehnen, weil gefaehrlich. man sollte nur in kulturen unterscheiden. manchen fuehlt man sich naeher. japan fuehlte ich mich von anfang an sehr nahe, und das ist bis heute so geblieben.

Warum bist Du dort so lange geblieben? Was hat Dich dort außer der Liebe so "gefesselt"? Was hat Dich aber auch am meisten gestört?

wie beschrieben, war es nicht eine liebschaft, die mich nach japan fuehrte. Tokyo fuehlte sich nach dem harschen NY an wie ein kuscheliger polster. es war so herrlich warm, wunderbare menschen. ich konnte gar nicht genug kriegen davon. die ersten vier jahre dort zaehlen zu den schoensten meines lebens. dann wurde so einiges sauer, denn der kuchen ist klein, du kommst von aussen und willst ein stueck davon. hui - dann kann's auch in tokyo zynisch und missguenstig werden. ich hatte aber noch nicht das gefuehl, genug gelernt zu haben und blieb. acht jahre lang habe ich literatur, geschichte, politik, kultur und natur japans studiert - autodidakt - und all das floss in meine arbeit und ich begann filme fuers kino zu machen. tokyo war mir homebase geworden. ich flog ja nach wie vor viel herum, in die USA, Europa, Suedamerika und immer wieder stellte ich fest, dass es doch in japan am besten fuer mich ist. und so wurden es 20 jahre - also so lang war tokyo mein lebenszentrum - aber durch das staendige reisen habe ich in wirklichkeit 12 jahre dort verbracht. gestoert hat mich insofern nichts, als mir schnell klar war, dass in einem anderen kulturraum nichts bleibt als das akzeptieren der bestehenden verhaeltnisse, anpassung ist gefragt - staendiges lernen. man kann vielleicht eher sagen, dass mir dinge fehlten wie z.b. die westliche diskurs-kultur. in japan wissen intellektuelle, was ihre kolleg*innen, was die konkurrenz macht, aber es gibt keine direkte konfrontation. das fand ich als mitteleuropaer schwierig, denn viele ideen entstehen im gespraech.

Deine Werke - insbesondere Deine Malereien und Aquarelle - muten irgendwie "japanisch" an. Ist das wirklich so bzw. war das immer so? Oder hat der Japanaufenthalt Dich so geformt bzw. diese Deine "japanische" Seite gestärkt? Und was ist überhaupt dieses "Japanische" an sich, das etwas mit Zartheit, Rätselhaftigkeit, Indirektheit bzw. Mehrdeutigkeit zu tun hat?

in der westlichen malerei ensteht raum durch hinzufuegen, im osten durch das weglassen. wir haben die zentralperspektive erfunden und sind maechtig stolz auf dieses mathematische prinzip. in japan war immer alles flach. auf einem zweidimensionalen hintergrund die illusion von 3D wahrzunehmen, ist einem nicht angeboren, das ist ein lernprozess, wie ich schon in meinem film MASACCIO aus dem jahr 2001 zeige. in japan hingegen genuegt eine andeutung und schon sieht der betrachter dinge, die nicht da sind. auch das ist erlernt. der raum ist dadurch aus meiner sicht viel weiter, offener. im japanischen KABUKI gibt es die KUROKO (schwarze kinder). das sind eine art diener, vollkommen in schwarz gekleidet, die den schauspielern auf der buehne helfen. das japanische publikum sieht sie einfach nicht. die kunst liegt im ausblenden. oder: zwei alte herren stehen auf ihre stoecke gelehnt unter einem bluehenden kirschbaum und zitieren gedichte zu all der schoenheit, die sie vor sich haben, die betonmauer dahinter und den angrenzenden parkplatz sehen sie nicht. sie blenden aus, es ist eine gewisse art von kurzsichtigkeit. es wird nur das wahrgenommen, was man wahrnehmen will. in der hinsicht war ich von kindheit an japaner. andeuten ist immer schoener als offen und direkt vorfuehren. das ist ja auch das schoene an unserer ausstellung, denn die kritik ist nie direkt - sie ist immer subtil zwischen den zeilen versteckt. meine arbeit war also von anfang an, ohne es zu wissen, japanisch, bestimmte tendenzen haben sich aber natuerlich durch den langen aufenthalt verstaerkt.
www.honetschlaeger.com/colors-shorttrilogy
 

Photo: Eva Puella

Beim Begriff "Indirektheit" muss ich natürlich an tatemae und honne denken, die ein wesentlicher Leitfaden für "Japan Unlimited" sind - könntest Du zu diesen Begriffen etwas im Allgemeinen sagen? Wie hast Du sie in Japan erlebt und wie gehst Du damit in Deiner künstlerischen Arbeit um?

ich denke, das kennen wir in wien sehr gut. Das, was wir denken und das, was wir sagen, liegt meist sehr weit auseinander. honne heisst ja eigentlich knochen - also das, was tief drinnen wahrheit ist, tatemae ist, was das gesicht zeigt. es macht das leben angenehm. man ist nicht mit direkter kritik konfrontiert. die kehrseite der medailie kennen wir. oft haben westler*innen in der vergangenheit gesagt ”diese japaner, die laecheln immer, aber das ist doch nicht ehrlich." na und? ich lebe lieber in einer gesellschaft, in der ich angelaechelt werde, als in einer, in der alle grantig dreinschauen und herumbellen.
ich mag keine kunst, die offen auf das zeitgeschehen eingeht. ja, trump ist scheisse, aber muss ich das in meiner kunst geradeaus zeigen? als europaeer in japan zu leben ist keine einfache sache, denn man ist immer auf den ersten blick erkennbar. ich habe nirgendwo tiefere, warmherzigere beziehungen begruendet als in japan, aber auf der anderen seite ist es wahrscheinlich das einzige land, wo man als weisser europaeischer mann kennenlernen kann, was rassismus bedeutet - die physionomie genuegt und man ist schon ausgegrenzt. hat mich aber wenig gestoert, denn ich habe mich immer als aussenseiter empfunden, egal, wo ich gelebt habe. es ist doch viel besser, etwas von aussen zu betrachten, als teil zu sein. gerade als kuenstler braucht man abstand zu den dingen. meine arbeit hat einen sehr anthropologischen ansatz. ihr geht viel forschung voraus. sie vergleicht ohne zu werten. in ihrer erscheinungform ist sie wie ein teich, schoen und still, aber der teich ist tief - man kann die tiefe erst erkennen, wenn man den finger hineinsteckt, ja als ganzes baden geht. das hat weniger mit HONNE und TATEMAE zu tun, als vielmehr damit, dass ich ein spiel der verfuehrung betreibe. die oeberflaeche holt dich rein und wenn du bereit bist, darauf einzusteigen, dann nimmt dich die arbeit mit und oeffnet dir im besten sinne des wortes die augen.

1997 warst Du mit Deiner Arbeit "97-(13+1)", die stark vereinfacht ausgedrückt Fotografien nackter japanischer Menschen mit Stühlen darstellt, auf der documenta X vertreten. Wie kam es dazu und warum gerade mit dieser Arbeit? Und wie war die Rezeption in Europa und insbesondere in Japan?

in japan gab es keine stühle, man sass auf tatamimatten. der stuhl aus dem westen hat sowohl die japanische architektur als auch die anatomie der menschen dramatisch veraendert. als ich nach tokyo kam, gab es in den meisten wohnungen nur einen raum mit stuehlen, der rest war traditionell mit tatamis. heute hat sich das verhaeltnis umgekehrt, oft gibt es gar keine tatamis mehr. frueher mussten die maenner im “tuerkensitz“, die damen auf ihren knien sitzen. wenn man das von kindheit an macht, so hat das einfluss darauf, wie sich die knochen formen. in der vergangenheit hatten japanerinnen meist o-beine, durch den stuhl haben sie heute gerade beine wie im westen. dieses phaenomen hat mich interessiert. die stuehle kamen von den strassen New Yorks - die wiener architektengruppe „the poor boys enterprise (heute the next enterprise)” hatten 97 davon gesammelt und nach wien geschickt. ich nahm mir 14 davon und schickte sie weiter nach tokyo. dort suchte ich menschen, die in ihrem erscheinungsbild, charakter, ihrer anatomie, physionomie bestimmten stuehlen entsprachen, bat sie, ihr gewand abzulegen und konforntierte sie mit dem stuhl. im shintoismus ist sexualitaet etwas positives, die urreligion der japaner*innen ist voll von symbolen, die primaere geschlechtsteile widerspiegeln. animismus. fertilitaet. frauen und maenner badeten gemeinsam in den oeffentlichen baedern wie sento oder onsen. mit dem einfall der amerikaner 1853 beginnt der leidige puritanimus - nackt ist uebel! lange, lange wehrt man sich dagegen, nacktheit ist etwas natuerliches, aber von den kolonialisten wird es als zeichen von primitivitaet betrachtet. als ich dann 97-(13+1) machte, in einer zeit, in der es im TV noch offen nacktheit gab, wurde diese von seiten vieler japaner*innen scharf kritisiert. auch wenn die arbeit keinerlei erotische konnotation hatte - das zeigen von schamhaaren ist in japan verboten - immer noch. auch nahmen mir einige in der kunstszene uebel, dass ich zum teil mit bekannten japanischen kuenstlern gearbeitet hatte. die arbeit wurde in japan nie gezeigt. im westen kam die arbeit sehr gut an. es gab keine vorbehalte. CATHERINE DAVID, der leiterin der DOCUMENTA X gefiel z.b. sehr, dass sich auf der feinen haut noch der abdruck der kurz zuvor getragenen kleidung abzeichnete.  
www.honetschlaeger.com/97-13-1

So, jetzt langsam nähern wir uns den zwei Arbeiten, die bei "Japan Unlimited" ausgestellt sind. Könntest Du uns kurz erklären, wie die Arbeit "Warum ist es so schwer die Leere zu akzeptieren" entstanden ist und insbesondere, warum Du diesen Titel ausgewählt hast, der ein wenig "zenhaft" klingt?

als ich ueber jahre in amerika lebte, schrieben viele kritiker*innen, ich sei ein pop artist. dann, nach einigen jahren japan wurde ich als meister des zen gehandelt. ich habe keine ahnung von zen und interessierte mich auch nie dafuer. der titel geht schlicht und einfach auf die tatsache zurueck, dass der mensch leere nicht ertragen kann - er muss sie immer fuellen. wenn in europa ein paar leute zusammensitzen, so ist es notwendig, dass immer jemand redet. stille geht gar nicht. in japan ist/war es ueblich, schweigend ohne scham zusammenzusitzen, es war nicht peinlich, wenn es stille/LEERE momente gab. mit dem einfluss des westens kam der drang, fuellen zu muessen. und so sieht diese betonfabrik aus. alles ist zu voll. denk an einen katholischen altar, monstranz etc. was da alles rumsteht und dann schau mal in das allerheiligste eines shinto-schreins, was findest du da? nichts, die leere. im besten fall stehen sake-flaschen drin, nicht, weil die priester so viel saufen, sondern weil SAKE reinigt… 2,5 stunden von tokyo befindet sich der ort OKUTAMA. dort gibt es eine betonfabrik, mitten in die natur gebaut. ich fotografierte sie mit einer wegwerf-panorama-kamera vertikal, nicht horizontal, setzte danach die fotos zusammen, wodurch ein konvex-effekt entstand, und liess in muenchen einen zehnteiligen siebdruck machen der die dekonstruktion betonte. das betonwerk ist auf wienerisch gesagt eine GSTETTN - alles scheint wild durcheinander gewuerfelt, planlos nach dem prinzip ‘und was brauchen wir noch?’ erbaut zu sein. CHAOS. zu fuessen der fabrik, die regelmaessig alle baueme mit beton belegt, befindet sich ein fluss, in dem es keine fische mehr gibt. freizeitangler kommen aus tokyo und fischen dort, also werden mehrmals pro tag fische in den fluss geworfen - das ist im film L+R zu sehen.
www.honetschlaeger.com/l-r

Warum ist es so schwer die Leere zu akzeptieren? © Edgar Honetschläger

Bei der Pressekonferenz zur Eröffnung von "Japan Unlimited" meintest Du, dass Dein Film "L+R" und insbesondere die Auszüge aus dem Filmmaterial, die Du für "Japan Unlimited" freundlicherweise zusammengestellt hast, in Japan problematisch sein könnten. Damals konnte ich Dir nicht so ganz glauben, aber mittlerweile bin ich ganz Deiner Meinung. Hast Du bereits (am eigenen Leib) Zensur in Japan bzw. überhaupt erlebt?

offene ZENSUR nicht, sondern wie es in japan so ueblich ist, nicht akzeptanz, uebersehen werden. als auslaender*in wird man, wie als japaner*in, einfach auf die seite gestellt. das kennt man auch im westen im corporate bereich: nicht mal ignorieren - wenn einer anders ist, anderes tut. wie in totalitaeren regimen fuehren solche aechtungen zu selbstzensur, aus angst vor nicht-akzeptanz. der druck, innerhalb der japanischen gesellschaft angepasst zu sein, ist immens. als weisser auslaender geniesst man einen abstand, eine gewisse narrenfreiheit, schliesslich haben “wir” den krieg gewonnen, aber z.b. als asiatische*r auslaender*in ist man in japan in der regel das letzte. in dem film in der JAPAN UNLIMITED show habe ich zwar rohmaterial meines filmessays L+R aus dem jahr 2000 verwendet, aber ich habe ein video des punk-Sängers FRYING DUTCHMAN aus dem jahr 2012 dazugeschnitten. der schreit in kyoto ohne vorbehalte seinen ganzen zorn auf die japanische politik hinaus. fantastisch. mit TATEMAE ist da gar nichts mehr. in L+R gibt es eine szene, in der der TENNO seine gottgleichheit widerruft. maurice pinguet, der franzoesische philosoph, schreibt in seinem buch “der freitod in japan” von diesem moment, in dem der japanische kaiser - von den amerikanern gezwungen - ueber das radio seine gottgleichheit widerruft. und dieser moment wird von westlichen philosoph*innen ausgeweidet unter dem titel: wir haben bis NIETZSCHE gebraucht - jahrhunderte also - um gott fuer tot zu erklaeren, aber die japaner*innen haben es uebers radio erfahren. haha. nie hatten sie die stimme ihres kaiser vernommen und dann hoerten sie GOTT ploetzlich ueber den aether und er sagt: ich bin kein gott mehr. als ich den film machte, habe ich versucht, diese tonaufnahmen zu finden. wochenlang haben wir gesucht - nichts. und dann sagte man mir, der kaiser haette es auf geheiss der amerikaner in einer zeitung veroeffentlichen muessen, gesagt jedoch hat er es nie. das fand ich unglaublich, also habe ich einen schauspieler engagiert, der die worte im tonfall und in der stimmlage des damaligen kaisers sprach und als voice-over ueber bilder gelegt. das kam bei der praesentation des films in tokyo unter den rechten gar nicht gut an. mit dem kaiser darf man nicht spielen. wenn man japaner*in ist, geht’s einem schnell an den kragen - siehe ITAMI JUSO (filmregisseur), der immer gegen das TENNO-SEI (kaisersystem) wetterte und letzten endes dafuer mit seinem leben bezahlte (angeblich selbstmord).

Wie Du ja genau weißt, hat die japanische Botschaft in Österreich erst fünf Wochen nachdem "Japan Unlimited" eröffnet wurde und dazu immer wieder von Mitarbeiter*innen der japanischen Botschaft besucht wurde, plötzlich die Anerkennung zum Jubiläumsjahr "150 Jahre Österreich-Japan" entzogen. In der Absage behauptet die Botschaft, dass nach nochmaliger Prüfung "Japan Unlimited" nicht dem Zweck von Jubiläumsveranstaltungen, die zur Vertiefung des gegenseitigen Verständnisses und der Förderung freundschaftlicher Beziehung zwischen Österreich und Japan dienen sollen, entspricht. "Japan Unlimited" wurde bereits von ca. 16.000 Menschen besucht und erntet viel Zuspruch. Die Ausstellung samt der Artists-in-Residence vom Q21/MuseumsQuartier und dichtem Rahmenprogramm trägt sicherlich zur Vertiefung des gegenseitigen Verständnisses bei. Ist aber die Ausstellung tatsächlich zu kritisch, um die Freundschaft zwischen Österreich und Japan zu fördern? Basiert "Freundschaft" nicht auch auf der Möglichkeit, über negative Aspekte offen zu reden und zu diskutieren?

julian schnabel hat mal gesagt, wer kuenstler wird, um geliebt zu werden, hat den falschen beruf gewaehlt - das gilt wohl fuer alle, die im kunstbereich taetig sind. wir haben die ausstellung - so habe ich das von anfang an verstanden - kontrovers angelegt. wir wollten eine starke reaktion und die haben wir bekommen. das ganze blabla um die 150 jahr-beziehungen ist schwachsinn. die politik macht, was sie will und wir kuenstler sollen das schnoerksel spielen. die rechnung ist nicht ganz aufgegangen. kunst kann nicht kritisch genug sein. sie darf alles sagen, sie darf alles tun. ihre aufgabe ist es, zu hinterfragen, aufzuzeigen, ins fleisch zu schneiden. das war schon bei CARAVAGGIO so, wieso sollte es heute anders sein? immer schon hatten die menschen schwierigkeiten damit. die reife einer gesellschaft zeigt sich darin, was sie an selbstkritik zulassen kann. jede form von nationalismus und darauf bezogene zensur ist striktest abzulehnen und zu bekaempfen, denn sie fuehrt zu absolutismus, zu diktatur. so wenige laender dieser welt geniessen demokratische verhaeltnisse, und auch in denen stehen wir im moment mit dem ruecken zur wand. umso lauter muss die kunst schreien. was wir zeigen, ist letztendlich harmlos, es ist subtile, sanfte kritik. die affaere zeigt, wie wenig genuegt. METTERNICH, schau oba!

Hat die Aberkennung nicht eher mit den großen Problemen der Aichi Triennale und den zahlreichen "Hasspostings" insbesondere auf Twitter gegen "Japan Unlimited", gegen seine renommierten Künstler*innen und mittlerweile auch gegen mich - kürzlich wurde ich mit "Terroristen der Roten Brigaden" und das MuseumsQuartier mit der Yakuza in Verbindung gebracht - zu tun?

es hat etwas mit der ABE administration zu tun. rechtskonservativ, wie sein grossvater, der auch schon premierminister war und letztendlich den atomdeal mit den amis gemacht hat - nach hiroshima und nagasaki! wer wollte danach wohl ein atomkraftwerk in japan??? die zensur bei der triennale in AICHI, und die soeben in korea wie auch die reaktion auf unsere JAPAN UNLIMITED show, all das kann nur von der regierung aus tokyo angeordnet sein. eine schande - hier herrscht demokratie - freiheit der kunst - nicht so wie in japan. was die leute in europa nicht wissen oder wissen wollen, ist, dass die japanische regierung schon 2011 (FUKUSHIMA ging im maerz des jahres in die luft) ein heimatschutzgesetz erlassen hat, das es japanischen journalist*innen unmoeglich macht, ueber FUKUSHIMA und seine schlimmen folgen zu berichten. diese journalist*innen werden ueber millionen geklagt. individuen, die sich zu dem thema auf social media auessern, koennen im schlimmsten fall, ohne einspruchsrecht der familie oder eines rechtsanwalts, entmuendigt werden. das ist diktatur. dass sie nun aber auch versuchen, auf etwas einzuwirken, das exterritorial stattfindet, ist schier unglaublich. dagegen ist die einflussnahme auf kunst, die die angst des regimes vor der wahrheit widerspiegelt, harmlos. denn die gesetze, die erlassen wurden, die nicht-aufklaerung, sorgt dafuer, dass kinder und menschen sterben muessen - in und um FUKUSHIMA und auch in tokyo. das ist alles so schlimm und absolut inakzeptabel. die regierung hat panische angst, dass ihr zynismus, ihre menschverachtung ruchbar wird. well, solange es washington deckt, ist alles in ordnung… die olympischen spiele naechstes jahr dienen einzig und allein dazu, all das zuzuschütten, vergessen zu machen. stoerfaktoren sind unerwuenscht. es geht uns in der ausstellung nicht darum, die japaner*innen, das japanische volk zu kritisieren, sondern die regierung, die staendig gegen das, was das volk will, verstoesst. nur 40% gehen waehlen und das nicht waehlen ist kein thema in japan. es verschafft der politik vorteile. JUDITH BRANDNER schluesselt das in ihrem neuen buch ueber japan so schoen auf - sie verweist darin auf umfragen, wie das mehrheitliche japan ueber atmokraft etc. denkt und das wird von der politik ruecksichtslos uebergangen.

Sollen wir aber schlussendlich der japanischen Botschaft dankbar sein, weil sie uns mit diesem kleinen Skandal noch mehr Aufmerksamkeit für die Ausstellung schenkt?

dankbar? fuer einen diplomatischen fauxpas? haha. die botschaft exekutiert doch nur was tokyo anordnet. die wussten ganz offensichtlich nicht, wie weit gegangen werden darf. das allein ist unfassbar: was man darf???

Glaubst Du, dass Deine künstlerische Arbeit sowie "Japan Unlimited" einen kleinen Beitrag zur Kunstfreiheit in Japan oder im Allgemeinen leisten können?

kaum. aber sie kann eine debatte anstossen, die spaeter fuer die politik folgen hat. sie kann dafuer sorgen, dass JAPAN im WESTEN nicht nur als hort der ueberragenden aesthetik und des unglaublichsten essens empfunden wird, sondern dass man auch mal in die politik der fernen kultur schaut, nicht nur im jetzt, sondern auch in der vergangenheit. jede reflektion von aussen wird auf dem japanischen archipel als angriff verstanden. unter den insulaner*innen herrscht die ueberzeugung, dass niemand - ausser sie selbst - sie verstehen kann. irgendwann ist mir klar geworden, dass dies in beider seiten - also ost und west - interesse ist. dabei ist es so evident, dass jede kultur durch die aussen- wie innensicht gepraegt wird. vielleicht sind reflektionen von aussen nicht immer gleich wirksam, aber ueber die jahrzehnte und jahrhunderte hinterlassen sie spuren. es ist gar nicht selten, dass eine aussensicht vor ort tief verinnerlicht wird, um dann als eindeutige innensicht verstanden zu werden, also geradezu als markenzeichen einer kultur. das aussen, das das element einbrachte, hat vergessen, dass es das selbst gebracht hat. im laufe der zeit hat es sich im fremden kulturraum auch so veraendert, weil es so an das lokalkolorit angepasst wurde, dass man das original nicht mehr erkennen kann. daraus entsteht EXOTIK, denn dann kommen die einen zu den anderen und sagen: ‘joe schau - wie abgefahren, ist ja wohl schraeg’ und sie wissen gar nicht, dass in manchem RITUS oder in dem, was sie in der fremden KULTUR vorfinden, etwas steckt, das ihre eigenen vorfahren erfunden haben. globalisierung war immer, ist keine erfindung des 20. jahrhunderts.

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