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"Das Leben ist kein Solo, das Leben ist ein Ensemblewerk."

Interview

"Das Leben ist kein Solo, das Leben ist ein Ensemblewerk."

Gemeinsam mit 20 TänzerInnen gestaltet die österreichische Choreografin, Tänzerin, Tanzpädagogin und DJane Doris Uhlich mit "Hit The Boom [... 'cause it's more than summer!]" die diesjährige ImPulsTanz Festivaleröffnung im MuseumsQuartier.
Zwischen den Proben nahm sie sich Zeit für ein Interview, um über ihre Arbeiten und ihre Beweggründe zum Tanz zu sprechen.

Vorletztes Jahr hast du im Rahmen des ImpulsTanz Festivals « more than naked » gezeigt, das aus deinem Workshop von 2012 heraus entstanden ist. Als DJane bringst du im Stück 20 TänzerInnen, die nackt auf der Bühne sind, in Bewegung.

Doris Uhlich: Ein sehr explosives Tanzstück zum Thema „let’s rock the flesh“, dieses Fleisch in Bewegung zu versetzen jenseits von bestimmten Schönheitsattributen, die es grade so gibt, dass alles stählern und fest sein muss und wir aber gesagt haben, ja, wir wackeln wieder – und da auch meine Fetttanztechnik an die Spitze getrieben haben. Bei „more than naked“ geht es darum, Wellen zu schlagen im Körper und um die Idee, was eine gesellschaftliche Nacktbewegung in der Gegenwart (damals 2013) sein könnte.

Nacktheit wird häufig als Reizmittel eingesetzt oder in Verbindung zu Pornographie gesetzt, also auch der Unterschied auf der Bühne „ich zeige mich nackt“ im Gegensatz zu „ich bin nackt, tanze auch meine Nacktheit“. In „more than naked“ habe ich das Gefühl, dass es eine wahnsinnige Uneitelkeit ist, es hat mit einem bestimmten Moment von Posen überhaupt nichts zu tun. Ich sage auch immer „a body is a brain boom tschak remix the brain boom tschak“ – der Körper ist für mich ein Einlagerungssystem, wir lagern die Welt in uns ein, nicht nur in unserem Hirn, sondern auch in unserem Fleisch. Und in dem Moment, wo ich das Fleisch in Bewegung versetze, versetze ich auch diese Einlagerungen in Bewegung und ich hab das Gefühl, da mobilisiert sich was, es aktiviert sich was, es ist irgendetwas in Umwandlung und das finde ich so steil, da bringt man was in Schwingung, in Bewegung, ins Rollen, diesen Körper, der ja auch denkt, das Hirn vom Körper.

Du bist tanzpädagogisch ausgebildet, bist selbst Tänzerin, Choreografin. Was bedeutet Tanz für dich?

Tanz ist ein Mittel um etwas in Bewegung zu versetzen, und zwar nicht nur mich sondern vielleicht auch andere. Tanz ist eine Möglichkeit, um Energien auszubreiten, um etwas zu teilen körperlich. Ist eigentlich eine große Frage.

In deinen Stücken geht es ja auch ganz oft um Freiheiten und Ausdrucksmöglichkeiten ausloten bzw. darum Gegensätzliches zu vereinen?

Ich verwende Mittel, um etwas Bestimmtes auszulösen, oder auszudrücken, und da können auch Ästhetiken aneinander krachen, solange meine Vision klar ist. Im Fall von „Universal Dancer“ ist es eben so, dass ich mir eine Maschine bauen lasse, um mich aufzurütteln, aber auch um die Welt aufzurütteln. Da ist die Idee – es gibt eine Art japanischen Esstisch mit zwei Waschmaschinenmotoren darunter, und die Energie der Motoren geht in meinen Körper über und ich gebe die Energie wieder ab in den Raum.

Im Fall von „more than naked“ krachen auch Technosounds mit  Popmusik und Barockklängen aufeinander, weil es eine bestimmte Lust produziert. Ich finde, das Leben hat nicht nur diese Einfalt – es ist die Vielfalt und gerade in dem Stück haben wir uns die Freiheit genommen, alle Ästhetiken, alle Genres, auch zu nutzen.

Für die Eröffnung im MuseumsQuartier arbeitest du wieder mit 20 TänzerInnen zusammen – wie hat sich das ergeben?

Das ImPulsTanz Festival hat die Idee gehabt, wieder im MuseumsQuartier zu eröffnen – mit der Formation „Uhlich & Dancers“, also ich bin wieder DJane auf der Bühne fürs MuseumsQuartier. Die Herausforderung für 4.000-6.000 Leute was zu machen ist schon supercool, hat auch einen Rock- oder Popkonzertcharakter für einen zeitgenössischen Tanzkontext. Und ich frage mich, wie kann es funktionieren, dass man so einen Ort wie das MuseumsQuartier mit Energie flutet, den ganzen Hof in Schwingung versetzt und dass das auch ein energiegeladener Auftakt ist, der das Tanzfieber für die nächsten fünf Wochen anzündet für die Stadt. Insofern sind die 20 Leute, mit denen ich zusammenarbeite ein Wahnsinn, es sind tolle junge TänzerInnen, die versuchen, alles zu geben um den ganzen Hof mit mir ins Vibrieren zu bringen.

Es gibt ja wenige Stücke, wo so viele Menschen auf der Bühne sind. 20 Leute sind schon eine Gesellschaft, die auf der Bühne steht und tanzt und etwas will, das finde ich so genial, dass es kein Solo ist, kein Duett, kein Quintett – sondern eine Power-Partie. Die TänzerInnen gehen ziemlich an physische Grenzen und die Frage ist immer, wo Energieressourcen stecken. Was lädt dich wieder auf? Sicher, das Wasser, das du dann trinkst, wenn du schwitzt, aber es sind auch die KollegInnen, die Menschen, denen du begegnest, die sich mit dir bewegen. Da wird einem bewusst- Das Leben ist kein Solo, das Leben ist ein Ensemblewerk.
Ich stelle mir vor, die Welt ist ein Körper. Was sich grade in der Welt bewegt und wie Medien funktionieren, lähmt auch ganz oft, dass man mehr gelähmt als bewegt ist. Wie tritt man dann noch in Aktion? Die Reaktion kennt man ja, aber woher nimmt man dann den Mut, in Bewegung zu gehen? Ich glaub, diesen Mut kriegt man schon vor Augen geführt, vielleicht auch beim Festival-Opening. Auch dieses Entgrenzende, wo die Energie einer Bewegung einmal wichtiger wird als die Form, wo etwas Unbändiges passiert.

Mit deinem Verein insert bist du seit 2011 im quartier21 im MuseumsQuartier – was bedeutet dir der Ort?

Das MuseumsQuartier ist für mich das Epizentrum meiner Arbeit geworden, nicht nur, dass ich hier mein Büro habe – ich hab hier auch einen Ort, wo ich arbeiten, kreativ sein kann, wo ich Menschen treffe – wenn ich aus dem Büro raus gehe, kann ich sicher sein, dass ich jemanden treffe, mit dem ich mich austauschen kann, wo es einen Moment gibt von „was machst du grade, an was arbeitest du grade?“ Das ist total super.
Für mich war 2001 ein wahnsinniges Schlüsseljahr – das war das Jahr, als das tanzquartier Wien aufgemacht hat, und ich meinen Abschluss vom Konservatorium hatte. Ohne das MuseumsQuartier, ohne die Eröffnung des MQ, ohne das tanzquartier wäre ich ins Ausland gegangen, in Wien hätte mich nichts gehalten. Es hat damals kein Zentrum für zeitgenössischen Tanz gegeben - erst durch das tanzquartier gab es einen Ort für regelmäßiges Profitraining, für Theorie, einen Treffpunkt für die Szene, wo man die Leute trifft und sich austauschen kann – ohne das geht es nicht, also Begegnungen sind das A und O dafür, dass in der eigenen Arbeit etwas vorangeht.

Da ist dann auch das ImPulsTanz Festival für den internationalen Austausch wichtig..

Ja, da kommen echt viele internationale Leute zusammen. 2004 hatte ich z.B. das Stipendium danceweb und hab da drei Leute, die auch das Stipendium hatten als junge NachwuchschoreografInnen und TänzerInnen, kennengelernt und hab mit einer sogar ein Stück gemacht, bin immer noch in Kontakt mit ihnen – und auch generell hab ich wahnsinnig tolle Leute kennengelernt. Jonathan Burrows z.B., Leute, die für mich auch wegweisend waren.

Hast du im Tanzbereich Vorbilder?

Es gibt Leute, die ich sehr schätze – William Forsythe z.B., weil er sich immer wieder neu erfindet, er steht nicht in seiner Arbeit – das ist für mich ein sehr mutiger Choreograf, der immer etwas anderes macht.

Und wenn die Presse dich „österreichische Starchoreografin“ nennt, macht dich das stolz?

Kurz denk ich mir: Wow, bin das ich? Ich nehme es zur Kenntnis, schon stolz, oder eher - mit Freude, mit einem Lächeln im Gesicht. Und ich erinnere mich – ich bin 1996 vom Attersee nach Wien gekommen, niemand hat mich gekannt, zeitgenössischer Tanz war damals noch ein Fremdwort, Vorbild Patrick Swayze in Dirty Dancing, so musst du dir das vorstellen. Und jetzt dieses Label „österreichische Starchoreografin“ – ja, ich denke mir, Wahnsinn. Es gibt einen Flow, den man nicht mehr aufhalten kann. Ich mag meine Arbeiten sehr, und mich freut, dass die Arbeiten visibility haben, eine Sichtbarkeit. Und ich muss sagen, dieses Festival im MQ zu eröffnen, das hat etwas ganz Großes, ein Rock-Popkonzertfeeling,  viele Menschen um mich herum, es ist ein total irrer Moment, der mir körperlich sicher einfahren wird – und darauf freu ich mich riesig!

Fotos: © Theresa Rauter, Daniel Gottschling
Interview: Esther Brandl

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