16.06.2025 bis 06.09.2025 - TONSPUR_passage
TONSPUR FOR UKRAINE
FREIER EINTRITT, KUNST


TONSPUR FOR UKRAINE
PAUL WALLFISCH: THE TUNNEL OF LOVE
16.06. – 06.09.2025
TONSPUR_passage | Eintritt frei
Eröffnung: So 15.06., 17h
8-Kanal-Klangarbeit, 7-teilige A1-Bildstrecke
In der ersten Nacht in Lviv weckten mich um 04.38h die Luftalarmsirenen mit klirrenden Fenstern. Ich stürzte auf die Straße, denn ich dachte, wenn ich der Menge folgte, würde ich wohl in einen Luftschutzkeller kommen. Doch nach einigen Minuten heller Panik traf ich bloß eine einzelne Frau und fragte in englischem Kauderwelsch: „Luftschutzwarnung! Menschen nix Schutzraum?“ Sie antwortete knapp: „Nein, Menschen nix Schutzraum. Menschen schlafen. Wenn Bombe kommt, Menschen sterben.“
Ich war auf dem Weg zur ukrainischen „Liebeshöhle“ (Tunnel of Love), die ich teilweise in eine Wiener „Klanghöhle“, nämlich die TONSPUR, eine klangkuratierte Passage, die vom Westen ins Museumsquartier führt, einbringen wollte.
Seit Beginn der russischen Großinvasion ist Georg Weckwerth in seiner kuratorischen Mission solidarisch mit der Ukraine. Als er mich damit betraute, die nunmehr bereits vierte „TONSPUR for Ukraine“ im Juni 2025 zu gestalten, teilte er mir sein Gefühl mit, er glaube, dass ich als Amerikaner vielleicht eine neue Perspektive auf die momentane Tragödie in der Ukraine einbringen könnte.
Mein Soundtrack besteht aus Eisenbahnschienengeräusche, Trompeten, Pfeifenorgeln und Kirchenglocken. Aber auch Sängern, Straßenbahnen, Musikboxen und Schnapsbars, Soldaten auf Krücken, die in Teslas steigen, und einem Taxifahrer, der mir sagte, Präsident Selenskyj sollte „ertränkt und gevierteilt“ werden, jedenfalls wenn ich meinem Google Translate traute.
In der Nähe von Rivne, dem einstigen Hauptquartier des Nazi-Reichskommissariats Ukraine, ging ich kilometerlang durch die „Liebeshöhle“. Im Januar waren alle Blätter von den Bäumen gefallen, also gab es die Höhle vor allem in meiner Phantasie. Dennoch war sie um nichts weniger spektakulär.
Wir sehen in Wirklichkeit nur einen kleinen Teil dessen, was sichtbar ist. Wir hören kaum mehr als zehn Prozent unserer Klangumgebung, um zu verstehen, was wir hören. Sich auf die ekphrastische Natur des Daseins zu konzentrieren, eigentlich einfach nur achtsam zu sein, ist unsere einzige Chance auf Bedeutung. Es gibt keinen Sinn, außer dem, der durch den Bogen der Zeit vermittelt wird. Und diesen Bogen gibt es nur, wenn man auf ihn achtet. Und dann wird der Soundtrack zur Musik. Und dann, so schrieb mein Freund Dan Kaufman, kann Musik ein anderer Name für Liebe sein. – Paul Wallfisch
Paul Wallfisch,geboren 1964 in Basel, Schweiz, lebt und arbeitet in New York City, Vereinigte Staaten von Amerika.