Polina (geb. 1998) ist ausgebildete Übersetzerin und alleinerziehende Mutter aus Toljatti. Ihr drohen wegen „Hochverrat“ und fünf weiterer Straftaten eine Haftstrafe von 22,5 Jahren. Zu den Anklagepunkten gehören „Verbreitung falscher Informationen über das russische Militär“ und „Rechtfertigung von Terrorismus“.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hat Polina zahlreiche Anti-Kriegs-Beiträge auf ihrem kleinen Instagram-Account mit 128 Follower:innen veröffentlicht. Aus Solidarität begann sie bald, alle Beiträge auf Ukrainisch zu verfassen. Kurz vor ihrer Verhaftung hatte sie erfolgreich ein Bildungsprogramm für junge Unternehmer:innen absolviert und ein Stipendium für die Gründung ihres eigenen Kleinunternehmens erhalten.
Polina wurde in den frühen Morgenstunden des Jahres 2023 verhaftet, kurz nachdem sie ihre sechsjährige Tochter im Kindergarten abgegeben hatte. Das Strafverfahren gegen sie basierte nicht nur auf ihren Instagram-Posts, sondern vor allem auf der Aussage eines verdeckten Ermittlers – eines Fremden, der Polina sechs Monate zuvor über soziale Medien kennengelernt hatte. Der 36-jährige Mann gewann Polinas Vertrauen durch regelmäßige Kommunikation. Während ihrer Treffen ermutigte er sie, ihre Meinung zu Krieg und Politik zu äußern, und bat sie um Rat, wie er der Mobilmachung entgehen könne. Er zeichnete alle ihre Gespräche heimlich auf und gab diese Aufzeichnungen an den russischen Geheimdienst (FSB) weiter.
Dies ist nicht das erste Mal, dass russische Bürger:innen mit solchen Provokationen konfrontiert sind, die zu Haftstrafen führen. Laut Berichten von Menschenrechts-NGOs gab es seit 2022 bereits Dutzende ähnlicher Fälle, von denen die meisten wahrscheinlich von Anfang an vom Geheimdienst inszeniert wurden. Es beginnt immer damit, dass eine fremde Person online Kontakt aufnimmt, eine politische Diskussion oder bestimmte direkte Aktionen provoziert und dann Daten an den Geheimdienst weitergibt und vor Gericht als „Zeuge” auftritt.
Im Gefängnis ist Polina mit harten Bedingungen konfrontiert. Sie wurde für eine gewisse Zeit in Isolationshaft gesteckt und wegen geringfügiger Regelverstöße wiederholt für mehrere Tage in eine Strafzelle gesperrt. So wurde sie beispielsweise dafür bestraft, dass sie den Fernseher im Gefängnis nicht rechtzeitig ausgeschaltet hatte. Polinas Tochter lebt derzeit bei ihren Großeltern.
„Wofür kämpft Putins Russland? Geht es darum, die Ukraine von Menschen zu befreien, die früher mit den Russ:innen und Russland kein Problem hatten – indem man sie tötet? Oder geht es darum, das ukrainische Volk aus seinem eigenen Land zu vertreiben? Oder geht es einfach darum, dass „wir [frühere Siege] wiederholen können”? Wir haben es [wiederholt]. Wir haben erneut den Faschismus etabliert, ukrainische Städte bombardiert und unzählige Zivilist:innen und Kinder getötet!”
Kunstwerk von Baba Pasha
