Im Juni 2025 wurde Nadin Geisler, eine 30-jährige Aktivistin, von einem russischen Militärgericht wegen „Hochverrats und Unterstützung des Terrorismus“ zu 22 Jahren Haft verurteilt. Dies ist eine der längsten Haftstrafen, die jemals gegen eine Frau aus politischen Gründen in Russland verhängt wurden. Im Jahr 2022 gründete Nadin in ihrer Heimatstadt Belgorod eine Freiwilligengruppe namens „Army of Beauties“ (Armee der Schönheiten). Die Gruppe sammelte Spenden und versorgte die unter der russischen Besatzung leidende ukrainische Bevölkerung mit Lebensmitteln, Medikamenten und anderer humanitärer Hilfe und half Flüchtenden bei der Evakuierung aus dem Kriegsgebiet. Bald darauf erhielt sie Drohungen wegen ihres Aktivismus, woraufhin sie für ein Jahr nach Georgien floh. Im Februar 2024 kehrte sie jedoch nach Russland zurück und wurde verhaftet.
Der Grund für ihre Verhaftung war ein Instagram-Post von einem gefälschten Account, in dem zu Spenden für die ukrainische Armee aufgerufen wurde. Nadin bestritt jegliche Beteiligung an diesem Account. Vor dem Prozess übte der russische Geheimdienst Druck auf Journalist:innen in Belgorod aus, nicht über den Fall zu berichten. Viele Details des Prozesses sind unbekannt, da er unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. Im August berichtete Nadins Rechtsvertretung, dass sich ihr Gesundheitszustand verschlechterte: Sie hatte Probleme mit ihrem Blutdruck, ihrem Herzen und ihrem Sehvermögen und erhielt keine angemessene medizinische Versorgung. Die Gefängnisverwaltung verbot Nadin den Empfang von Büchern und beschlagnahmte alle ihre Kosmetika. Sie durfte nicht am Hofgang teilnehmen. Das russische Militärgericht hat Nadins Eltern außerdem verboten, sie im Gefängnis zu besuchen.
„Man kann Beweise fälschen. Man kann Menschen einschüchtern und Zeug:innen erfinden. Aber man kann die Wahrheit nicht zerstören: Zehntausende Menschen haben unsere Hilfe erhalten, und Millionen weitere waren Zeug:innen davon. Ich habe auf jede erdenkliche und unmögliche Weise für jedes einzelne Menschenleben gekämpft. Ich habe mir den Luxus gegönnt, eine persönliche Meinung zu haben und diese öffentlich zu äußern. Ich habe die Wahrheit gesagt, die sie verbergen wollten. Aber ich bin weder eine Kriminelle noch eine Mörderin, und ich habe kein Blut an meinen Händen. Dennoch forderten sie 27 Jahre Gefängnis für mich. Mein Ziel ist es nicht, frei zu sein – es ist, ein Mensch zu bleiben.“
Kunstwerk von Alexandra Skochilenko, einer Künstlerin, Musikerin und ehemaligen politischen Gefangenen, die zu einer der zentralen Figuren der ersten Ausstellung „Women Against War“ (Frauen gegen den Krieg) wurde, während sie noch in Haft war, weil sie Preisschilder in Supermärkten durch Antikriegsbotschaften ersetzt hatte. Im August 2024 war Alexandra eine der wenigen russischen politischen Gefangenen, die im Rahmen des berüchtigten Gefangenenaustauschs zwischen Russland und den USA freigelassen wurden. Alexandra lebt heute im Exil und hat sich der Ausstellung als Künstlerin angeschlossen.
Kunstwerk von Alexandra Skochilenko
