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MQ Artist-in-Residence Fariba Haidari über Rechte von Transgender-Personen, Resilienz, persönliche Freiheit & Widerstand gegen Ungerechtigkeit

Interview

MQ Artist-in-Residence Fariba Haidari über Rechte von Transgender-Personen, Resilienz, persönliche Freiheit & Widerstand gegen Ungerechtigkeit

Fariba Haidari ist eine afghanische Filmemacherin, die im Iran aufwuchs. Nach ersten Filmprojekten und Workshops in Afghanistan setzt sie ihre Arbeit seit 2012 in Schweden fort, wo sie mehrere Dokumentar- und Kurzfilme realisiert hat und an neuen Projekten arbeitet. 2024 wurde sie beim this human world – international human rights film festival für ihren Film „Leila“ ausgezeichnet. Isabella Flucher (this human world) hat ein Gespräch mit Haidari über ihre vielschichtige filmische Arbeit geführt.

Der Film „Leila“ zeichnet ein differenziertes Bild von Transgender-Identität und Resilienz. Welche Diskussionen über die Erfahrungen von Transgender-Personen in Afghanistan wolltest du mit „Leila“ anstoßen?

Ich wollte mit dem Film Diskussionen über die fehlenden Rechte und die mangelnde offizielle Anerkennung von Transgender-Personen in Afghanistan anstoßen, die oftmals als „defekt“ oder „psychisch krank“ abgetan werden, anstatt sie als vollwertige und gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft anzuerkennen. Der Film möchte die weit verbreiteten Erfahrungen von Spott, Belästigung und erzwungener Unsichtbarkeit hervorheben, die Transgender-Personen in die Isolation treiben, sowie die mangelnde Akzeptanz innerhalb der Familien – insbesondere gegenüber Transgender-Jugendlichen –, die unter Druck gesetzt werden, ihre Identität zu verbergen und sich den sozialen Normen anzupassen. Durch Figuren wie Leila wirft der Film Fragen zu Menschenrechten, persönlicher Freiheit und Würde auf und porträtiert gleichzeitig den Mut, der erforderlich ist, um offen und authentisch in einem Umfeld zu leben, das sich einer solchen Sichtbarkeit widersetzt.

Und über Afghanistan hinaus?

Auf internationaler Ebene wollte ich mit „Leila“ zum Nachdenken darüber anregen, wie sich die Situation in Afghanistan von Gesellschaften unterscheidet, in denen Transgender-Rechte und -Akzeptanz durch moderne Rechtsreformen und sich wandelnde kulturelle Werte entstanden sind. Obwohl die Menschen in Afghanistan Transgender-Personen in der Vergangenheit bis zu einem gewissen Grad akzeptiert haben, beruhte diese Akzeptanz darauf, dass sie als „abnormal“ angesehen wurden, anstatt ihre Geschlechtsidentität als gültig anzuerkennen. Durch die Darstellung dieses Kontrasts regt der Film zu einer breiteren Diskussion darüber an, wie verschiedene Kulturen Geschlechtsidentität, Rechte und persönliche Freiheit verstehen. Die Risiken, denen Transgender-Personen in Afghanistan ausgesetzt sind, sind nach wie vor deutlich größer als in vielen anderen Kontexten. Mit Leila als Symbol für Resilienz und Widerstand gegen Ungerechtigkeit möchte der Film eine Diskussion über globale Verantwortung, Solidarität und die Formen der Unterstützung und Vertretung anstoßen, die die internationale Gemeinschaft Transgender-Personen aus Afghanistan bietet.

Filmstill: "Leila" © Ginestra Film

„Leila“ hat internationale Preise gewonnen. Wie wurde der Film von afghanischen Zuschauer:innen aufgenommen?

Leider konnten wir den Film wegen der Taliban nicht in Afghanistan zeigen. Wir hatten sogar Angst, ihn auf internationalen Filmfestivals zu zeigen, bevor Leila an einem sicheren Ort angekommen war. Die afghanischen Zuschauer:innen, die den Film auf internationalen Festivals gesehen haben, sind jedoch der Meinung, dass er ein sehr dringendes und wichtiges Thema auf globaler Ebene anspricht. Gleichzeitig fanden sie, dass ich mehr davon zeigen sollte, wie Leila in Afghanistan körperlich verletzt wurde, während ich mich in erster Linie auf ihre psychischen Verletzungen und weniger auf die körperlichen konzentriert habe.

Als Filmemacherin, die sich zwischen zwei Kulturen bewegt, welche Herausforderungen und Chancen siehst du darin, afghanische Geschichten einem europäischen Publikum näherzubringen?

Ich bin froh, dass ich in Schweden viele Möglichkeiten habe, meine Erfahrungen als Filmemacherin weiterzuentwickeln. In Afghanistan habe ich mich beim Filmemachen eher auf die Themen selbst konzentriert als auf die Form oder die Filmsprache. Jetzt kann ich mit beidem arbeiten und auf vielfältige Weise dazulernen. Außerdem gibt es hier Filmförderungen, sodass ich mich mehr auf die Kreativität konzentrieren kann, statt mich mit finanziellen Einschränkungen herumzuschlagen. Als Filmemacherin, die sich immer noch nicht von Afghanistan lösen kann, bleibe ich eng mit dem Land verbunden – insbesondere mit den afghanischen Frauen, die viele wichtige Geschichten zu erzählen haben.

Woran arbeitest du derzeit?

Ich arbeite an meinem Drehbuch für einen Spielfilm. Ich habe im August 2021 damit begonnen, als die Taliban die Macht im Land übernommen haben. Meine erste Idee konzentrierte sich auf die Zensur in Afghanistan und wie sie zu einer kulturellen und bildungsbezogenen Isolation der Menschen geführt hat – insbesondere der Frauen. Ich hoffe, einen Produzenten oder eine Produzentin zu finden, der:die mir dabei helfen kann, dieses Projekt voranzubringen und den Film zu verwirklichen. Außerdem arbeite ich derzeit an zwei Dokumentarfilmen.

"Ich wollte mit dem Film Diskussionen über die fehlenden Rechte und die mangelnde offizielle Anerkennung von Transgender-Personen in Afghanistan anstoßen, die oftmals als „defekt“ oder „psychisch krank“ abgetan werden, anstatt sie als vollwertige und gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft anzuerkennen."

– Fariba Haidari über ihren Film "Leila"

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