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Das Versuchsfeld1 als Stück heiler Natur inmitten aller Urbanität: Fünf Fragen an Anita Fuchs

Interview

Das Versuchsfeld1 als Stück heiler Natur inmitten aller Urbanität: Fünf Fragen an Anita Fuchs

Im Interview spricht Anita Fuchs über die Idee und den Prozess der Wildpflanzenwiese am MQ Vorplatz, über ihre kommende skulpturale Installation in der MQ Art Box und warum eine Wiese mitten in der Stadt ein Stück heile Natur und Erinnerung ist.

Seit März 2023 arbeitet die Künstlerin Anita Fuchs im Rahmen einer Einladung des MQ an einem langfristigen künstlerischen Projekt am MQ Vorplatz, das sich mit Natur in urbanen wie ruralen Gebieten auseinandersetzt. Das 250m2 große „Versuchsfeld1“ war damals ein nicht-ökologischer Rollrasen, der im Zuge der künstlerischen und wissenschaftlichen Forschung entfernt wurde. Das Feld konnte sich seitdem zu einer biodiversen Wildpflanzenwiese entfalten. Seither ist die Entwicklung der Wildpflanzenwiese durch Workshops, Diskussionsveranstaltungen sowie durch künstlerische Interventionen und Installationen begleitet.

Nach der Mahd des „Versuchsfeld1“ im Juni 2025 trocknete die Künstlerin über 30 verschiedene Pflanzenarten in großen Bündeln. Diese sind bis zum 15. März 2026 in der MQ Art Box als skulpturale Setzung – von der Decke hängend – zu sehen.

Versuchsfeld1 © MuseumsQuartier Wien, Foto: Niko Havranek

Was hat dich dazu inspiriert, vor dem MQ eine Wildpflanzenwiese entstehen zu lassen?

Seit 2020 betreue ich eine biodiverse Magerwiese, die im Rahmen eines Projekts im Kulturjahr „Graz 2020 – Wie wir leben wollen“ angelegt wurde. Wie auch das Feld vor dem MQ wurde sie wissenschaftlich untersucht und evaluiert. In der Südoststeiermark, an der Grenze zu Slowenien, renaturiere ich seit fünf Jahren eine 1,5 Hektar große ehemalige Apfelplantage, die ich auch künstlerisch bearbeite. Aufgrund dieser Arbeit, und der damit verbundenen Praxis lud mich das MQ ein, auch am MQ Vorplatz eine Rasenfläche in eine artenreiche Wiese zu verwandeln.

Das „Versuchsfeld1“ ist ein tolles Ergebnis einer künstlerischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Boden. Wie gestaltete sich der Prozess der Entwicklung der Saatmischung?

Gemeinsam mit dem Biologen Philipp Sengl wurden Bodenproben analysiert, um die Saatmischung optimal an die Bedingungen vor Ort anzupassen. Durch den nahen Verkehr lagert sich viel Stickstoff im Boden ab. Um den Nährstoffgehalt zu senken, haben wir zusätzlich Sand eingearbeitet und die Fläche wie einen Blühsaum bepflanzt – also als artenreichen Übergangsraum zwischen Vegetationszonen wie an Waldrändern oder Böschungen. Insgesamt wurden 51 Sorten von Gräsern und Wildpflanzen gesät. Das ist einer traditionellen Magerwiese ähnlich, die zweimal jährlich von Hand gemäht wird, wobei das Mahdgut entfernt wird.

Versuchsfeld1 © MuseumsQuartier Wien, Foto: Klaus Pichler

Im Bezirk Neubau, zu dem auch das MQ gehört, gibt es nur wenige Grünflächen. Die Reaktionen auf das „Versuchsfeld1“ sind durchwegs positiv, viele Menschen fühlen sich davon angezogen. Hattest du mit dieser Resonanz gerechnet, und wie erklärst du dir die besondere Faszination, die eine biodiverse Wildpflanzenfläche im städtischen Umfeld auslöst?

Das liegt sicher auch an der ungewöhnlichen Lage – mitten in der Stadt, von Museen wie dem Naturhistorischen und dem Kunsthistorischen Museum im Hintergrund eingerahmt. Wenn die Wiese im Mai und im Juni blüht, wirkt sie wie ein Stück heile Natur inmitten aller Urbanität. Sie ruft Erinnerungen hervor: an Pflanzen, Düfte, alte Arbeitsweisen und die Herkunftsgeschichte der Werkzeugherstellung zur Wiesenpflege.

 

"Wenn die Wiese im Mai und im Juni blüht, wirkt sie wie ein Stück heile Natur inmitten aller Urbanität. Sie ruft Erinnerungen hervor: an Pflanzen und Düfte."

– Anita Fuchs über das Versuchsfeld1

Mit der Überführung der geernteten Pflanzen in eine skulpturale Installation in der MQ Art Box wird das Wachsen zum Stillstand gebracht und das Lebendige zu einem „Objekt“ im Kunstraum. Was sagt das über deine künstlerische Arbeit mit ökologischen Themen und natürlichen Prozessen aus?

Ich arbeite gerne langfristig. Das Besondere an der „Wiesenarbeit“ waren der eigenständige Selbstanbau des Materials, seine Pflege und letztlich seine Ernte. Im Ausstellungsraum wird die gewachsene Natur nun zur Skulptur bei gleichbleibendem künstlerischen Wert. Das Weiterverarbeiten des Materials ist eine nachhaltige Geste: Aus dem Heu des Vorjahres beispielsweise entstand ein großes vasenartiges Gefäß, aus der zweiten Mahd ein Ghillie Suit – ein Kostüm aus kleinen Pflanzenbüscheln.

Wiesenstück © MuseumsQuartier Wien, Foto: Klaus Pichler

Wiesenstück © MuseumsQuartier Wien, Foto: Klaus Pichler

Wiesenstück © MuseumsQuartier Wien, Foto: Klaus Pichler

Mit der Nachhaltigkeitsinitiative „MQ goes Green“ strebt das MQ an, bis 2030 Klimaneutralität zu erreichen und den Dialog über ökologische Themen in den Fokus zu stellen. Inwiefern steht das „Versuchsfeld1“ und jetzt auch deine Ausstellung in der MQ Art Box im direkten Dialog mit der Vision?

Meine Installation zeigt 35 Pflanzenarten, die im Juli 2025 mit der Sichel geerntet wurden. Während der Vegetationszeit wachsen auf der Fläche durchschnittlich über 50 Arten (das letzte Monitoring ergab 32 angepflanzte und 26 spontan aufgekommene). Eine Untersuchung der Entomologin Dominique Zimmermann vom Naturhistorischen Museum Wien wies in vier Stichproben 46 Insektenarten aus. Gemeinsam mit Fledermäusen, die über der Wiese jagen, bildet das „Versuchsfeld1“ einen Lebensraum für über 100 Arten – ohne die Bodenorganismen mitzuzählen. Eine beeindruckende, biodiverse Gemeinschaft mitten in der Stadt.

Anita Fuchs – Wiesenstück ist bis 15.03.2026 in der MQ Art Box zu sehen.

Über Anita Fuchs

Anita Fuchs lebt und arbeitet in Wien. Sie entwickelt langfristige Projekte im Bereich der Nature Art, in denen ökologische, gesellschaftliche und politische Themen miteinander verwoben sind.

Das Interview wurde von Anna Lena Schmidt geführt.

 

Anita Fuchs © MuseumsQuartier Wien, Foto: Klaus Pichler

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