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Andrei Anastasescu

Andrei Anastasescu

Bereich: Übersetzung

Key Facts

Nationalität

Rumänien

Bereich

Übersetzung

Wohnort

Bukarest

Empfehlende Institution

BMEIA

Zeitraum

September 2021 - Oktober 2021

Andrei Anastasescu wurde 1981 in Râmnicu-Vâlcea (Rumänien) geboren. Er studierte Germanistik, Nederlandistik und literarisches Übersetzen an der Universität Bukarest und arbeitete u.a. als Verlagslektor. Heute lebt er als freier Übersetzer deutschsprachiger Literatur in Bukarest. Aus dem Deutschen übersetzte er Werke von Hito Steyerl, Rainer Werner Fassbinder, Christian Kracht, Niklas Luhmann, Peter Sloterdijk, Walter Benjamin, Jenny Erpenbeck, Ulrich Plenzdorf u.a. 2019 erhielt er das Schritte-Stipendium der S. Fischer Stiftung, 2016–2017 das Stipendium der Landis & Gyr Stiftung und 2014 das Looren-Übersetzungsstipendium.

© Robert Blaj

Projektinfo

Mein Projekt besteht darin, den Roman Die größere Hoffnung (1948, 1960) von Ilse Aichinger ins Rumänische zu übertragen. Die Spezifik von Aichingers Roman besteht im kindlichen Blick auf die Geschehnisse, der eine gewisse Verspieltheit im Angesicht des Grauens ermöglicht. Diese Verspieltheit manifestiert sich in einem ausgesprochenen Sinn fürs Paradoxe. Das Paradox ist, meiner Ansicht nach, das stilistische Hauptmerkmal dieses Textes. Es spiegelt auf sprachlichem Niveau das wider, was der Text inhaltlich leistet, nämlich dessen utopisches Potential, den Entwurf einer Rettung der Welt durch die Literatur hindurch, allerdings ohne dass die konkrete Welt mit ihren konkreten Leiden verklärt und dadurch verraten würde. Dieser Prosa eignet eine gewisse Negativität, die sich in (hart an die Grenze der Unübersetzbarkeit stoßenden) Wortspielen und Paradoxa, dem verfremdenden Einbruch einer hohen, expressionistichen Sprache in die alltägliche Gespräche der Kinder, dem Bruchstückhaften der Wahrnehmung und der Andeutung eines metaphyischen Sinns ausdrückt. Dieser Sinn – „die größere Hoffnung“ – erfüllt aber keine heilbringende Funktion, sondern ist lediglich dazu da, um die Spannung des Erzählduktus zu erhöhen. Das sind natürlich ebenso viele Herausforderungen an den Übersetzer – sowohl auf technischer, als auch auf inhaltlicher Ebene, wo es gilt, die oft geheimnisvollen, scheinbar freischwebenden Stimmen möglichst genau den Figuren zuzuschreiben (und deren Affekten anzugleichen), meine (rumänische) Version nicht hieratischem Kitsch anheimfallen zu lassen, sondern die messianische Idee, die den Originaltext trägt, in ihrer ganzen Negativität und Widersprüchlichkeit auch in der Übersetzung durchscheinen zu lassen.

Dokumentation

Im September und Oktober 2021 hielt ich mich als Translator-in-Residence im Rahmen des Q21-Programms in Wien auf. Es war meine erste Residency in zwei Jahren und die erste, wo ich mich nicht wie gewöhnlich in einem idyllischen Übersetzerhaus, sondern mitten im Museumsquartier in einem vorwiegend künstlerischen Kontext befand. Diese ungewöhnliche Verschiebung wirkte sich positiv auf mein Gemüt sowie auf meine Arbeit aus. Warum nicht auch das Übersetzen als Kunst betrachten und die ÜbersetzungskünstlerInnen in ein solidarisches, transdisziplinäres Netzwerk einbinden?
Mein Studio mit Blick auf das MUMOK gönnte mir sowohl – wenn ich mich abkapseln wollte – die fürs Lesen und Übersetzen unerlässliche Ruhe als auch den Anblick ständigen Gewühls auf dem Hof, mit zahllosen Stimuli und Attraktionen, denen ich mich bei hochgezogenen Rollos und offenen Fenstern gelegentlich überlassen konnte. Abgeschiedenheit und Großstadtgefühl waren perfekt aufeinander abgestimmt.
Die beiden Monate, die ich in Wien verbrachte, waren eine äußerst produktive Zeit. Mein Projekt bestand in der Übersetzung von Ilse Aichingers Roman Die größere Hoffnung ins Rumänische. In diesem Zeitraum konnte ich die ersten sechs Kapitel des Buchs (d.h. mehr als die Hälfte) als Rohfassung bewältigen. Gleichzeitig recherchierte ich im Internet sowie in der Bibliothek des Literaturhauses Wien, um ein Vorwort für die rumänische Ausgabe des Romans zu schreiben. Da ich normalerweise an verschiedenen Sachen gleichzeitig arbeite, fand ich neben diesem Hauptprojekt auch Zeit, um meine Übersetzung des Romans Gehen, ging, gegangen von Jenny Erpenbeck zu revidieren und im Auftrag vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, das jährlich Übersetzungsprämien vergibt, ein Gutachten zu einer rumänischen Übersetzung von Arthur Schnitzlers Novellen zu verfassen.
Abgesehen von den vielen Autorenlesungen, literarischen und philosophischen Veranstaltungen sowie Ausstellungen und Festivals, die ich besuchte, möchte ich noch den regen Austausch mit den anderen StipendiatInnen (insbesondere mit der Übersetzerin Stjepanka Pranjković und der Künstlerin Claudia Schioppa) erwähnen, sowie meine Treffen mit den in Wien lebenden Schriftstellern Jan Koneffke und Uroš Prah, die ich schon aus Bukarest kannte.
Zum Schluss möchte ich nur hoffen, dass ich bald wieder die Chance haben werde, an einem Übersetzungsprojekt in Wien zu arbeiten. Solche vortreffliche Bedingungen für ÜbersetzerInnen kann man sich zur Zeit in Rumänien kaum erträumen. Daher möchte ich Frau Karin Cervenka vom österreichischen Außenministerium sowie dem ganzen Team von Q21 und dem MuseumsQuartier Wien meine große Dankbarkeit für das Stipendium und den Aufenthalt bezeigen.

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