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Fischer von Erlach

2023 x 1723

Der Architekt stellt sich vor

Gestatten, Johann Bernhard Fischer von Erlach ist mein Name.

1713 bekam ich von Kaiser Karl VI. den Auftrag, auf dem Gelände seiner kaiserlichen Geflügelfarm Stallungen zu entwerfen.

Die Fertigstellung des Areals habe ich leider nicht mehr erlebt, aber das von mir entworfene Gebäude steht noch heute, 300 Jahre nach meinem Tod, genau wie von mir erdacht, ein Bauwerk für die Ewigkeit.

Was meine Architekturkollegen daraus gemacht haben, schaue ich mir jetzt genauer an.

Der Architekt kehrt zurück

Vor 300 Jahren entstand das MuseumsQuartier als „Stadt der Pferde“ – geplant von mir, Johann Bernhard Fischer von Erlach. Jetzt kann ich mir endlich mein epochales Werk anschauen.

Eigentlich hätte ich Bildhauer werden sollen. 1656 in eine Grazer Bildhauerfamilie hineingeboren, verbrachte ich fast 16 Jahre in Rom. Dort lernte ich Gian Lorenzo Bernini kennen, der als Bildhauer und Architekt die Stadt dominierte. Was ich in Italien genau machte, bleibt mein Geheimnis. Als ich jedoch im Alter von 30 Jahren zuerst nach Graz zurückkehrte und kurz darauf nach Wien übersiedelte, brachte ich die neuesten Kunsttrends aus der Ewigen Stadt mit. Die Habsburger und der Adel waren begeistert von meinen Ideen, vor allem Kaiser Karl VI.

Ádám Mányoki
Johann Bernhard Fischer von Erlach
1723
Wien Museum

Johann Kupetzky
Kaiser Karl VI
1716
Wien Museum, Foto: Birgit & Peter Kainz

Johann Bernhard Fischer von Erlach prägte das Aussehen Wiens wie kein zweiter. Während der Regierungszeit von Kaiser Karl VI. plant er in rascher Abfolge den Neubau von Teilen der Hofburg, der Karlskirche, eine Reihe von Palästen für den Wiener Hochadel und nicht zuletzt Schloss Schönbrunn.
Wenn Fischer von Erlach repräsentative Nutzbauten entwarf, dachte der Barockarchitekt groß: Für die edlen Pferde plante er eine eigene „Stadt“. Die Hofstallungen sind um 1720 die größte Baustelle des barocken Wien, und heute noch ist das MQ der größte geschlossene Platz von Wien.

Pferde spielten am Hof der Habsburger eine bedeutende Rolle. Sie wurden als Reit- und Kutschenpferde genutzt, aber auch für höfische Feste und militärische Einsätze hervorragend ausgebildet. So war Kaiser Franz Joseph I. besonders stolz auf die edlen Rösser und präsentierte seine Lipizzaner-Schimmel und Kladruber-Rappen auch internationalen Gästen.

Moritz Johann Winter
Krönungswagen mit acht Pferden im Hof der Hofstallungen, Wien 1890
Österreichische Nationalbibliothek

Moritz Johann Winter
Offener Pferdewagen mit vier Zugtieren à la Daumont
1890
Österreichische Nationalbibliothek

Der Architekt schreitet die Fassade ab

Nichts Geringeres als die Domus aurea von Kaiser Nero war mein Vorbild für den kaiserlichen Pferdestall. Der goldene Palast des römischen Kaisers war so groß, dass die Römer ihn eine Stadt nannten. Ich übernahm die Idee einer langen Fassade mit dahinterliegenden Trakten und Höfen. Sie sollten Platz für 600 Pferde, Wohnungen für den Oberhofststallmeister und die Bediensteten sowie eine große Pferdeschwemme bieten. Über den Arkaden, die als „Wagenschuppen“ für etwa 200 Karossen- und Galawagen genutzt werden sollten, plante ich ein Amphitheater für die Zuschauer:innen des Pferdekarussels. Von dem ursprünglichen Konzept wurde im 18. Jahrhundert leider nur die etwa 355 Meter lange Fassade gebaut. Allerdings verzichtete man auf die Gestaltung der inneren Fassade.

Johann Bernhard Fischer von Erlach
Prospect des grossen neuen Kaysl. Stalls vor 600 Pferdte, welcher anjezo im bau begriffen ist.
1721
Österreichische Nationalbibliothek

Beschreibung des Kupferstichs:
„Prospect. Des grossen neuen Kaysl. Stalls vor 600 Pferdte, welcher anjezo [jetzt] im bau begriffen ist. A. der große Hoff ein Carroussel darinn zuhalten. B. amphiteatrum vor die Zuschauer, unter denen arcaden, die wagen Schuppen sind. C. die Pferdt Schwemme. D. die vorstadt Leimgruben. E. vorstadt St. Ulrich.“

Johann Bernhard Fischer von Erlach
Domus Aurea Neronis
1730
Slowakische Nationalgalerie

Während meiner Lebzeit wurde nur die Fassade der k. k. Hofstallungen errichtet. Da ich seit 1722 krank und nicht mehr arbeitsfähig war, übernahm mein Sohn, Josef Emanuel Fischer von Erlach, der in Frankreich ausgebildet wurde, die Bauleitung. Ob er in meine Entwürfe noch eingegriffen hat, schaue ich mir an.

Ich hoffe, Du hast den Idealplan der Hofstallungen in meiner Weltarchitekturgeschichte Entwurff Einer Historischen Architectur von 1721 schon entdeckt. Darin versammle ich Abbildungen und Rekonstruktionen antiker Monumente, türkischer und arabischer Gebäude, um im vierten Buch meine Wiener Entwürfe anzuschließen. In der Beschreibung zähle ich die Bestandteile meines Entwurfs auf. Doch fallen die meisten davon offenbar dem Rotstift zum Opfer. Erst im 19. Jahrhundert werden die Hofstallungen erweitert und in meinem Sinne ergänzt.

Joseph Daniel von Huber
Vogelschau der Stadt Wien, 1770
MQ Archiv

Der Architekt spielt Skulptur

Die Nischen wirken eigenartig leer… Da hätte ich mir als Profi-Bildhauer etwas einfallen lassen sollen. Was könnte ich da hineinstellen?

Um die 355 Meter lange Fassade zu gestalten, habe ich 99 Fensterachsen und 40 halbrunde Nischen geplant. Die Bänderung, also die Gestaltung mit waagrechten Linien, lässt die Fassade noch länger aussehen.

Der Architekt macht eine Bestandsaufnahme

Das Areal hat sich sichtlich verändert. Von Pferden keine Spur mehr, flirrt jetzt zu meiner Überraschung eine Libelle rum.

1918: Der letzte Kaiser Österreich-Ungarns dankte ab und in den Hofstallungen wurden 76 Pferde zur Auktion gebracht. Mit dem Kaiserreich endete die Geschichte der k. k. Hofstallungen, die man in den 20er-Jahren zum Messepalast umfunktionierte. Für die neue Nutzung wurden drei große Hallen errichtet. Sie bestehen bis 1997, als der Umbau zum MuseumsQuartier begann.

In der 1. Stufe des Architektenwettbewerbs setzten sich 1987 acht Projekte durch, die 2. Stufe endete im Frühjahr 1990 mit der Empfehlung des Projekts von Ortner & Ortner Baukunst. Mit dem mumok, der Kunsthalle Wien und dem Leopold Museum errichteten sie drei neue Bauten, die in ihrer Positionierung die „Kraftfelder“ des 7. Bezirks aufnehmen. Auf 90.000 m² entstand ein Kunst- und Kulturareal, das große Museen und kleine Institutionen, kulturelle Produktion und Vermittlung an einem Ort versammelt.

Mein Entwurf wurde zwar nicht zur Gänze umgesetzt, dafür haben sich meine Architektenkollegen ordentlich etwas einfallen lassen: Von einer Winterreithalle über eine oktogonale Reithalle für Kaiserin Sisi bis hin zu Museen und Ausstellungshäusern.

Mit dem mumok, der Kunsthalle Wien und dem Leopold Museum errichteten sie drei neue Bauten, die in ihrer Positionierung die „Kraftfelder“ des 7. Bezirks aufnehmen. Auf 90.000 m² entstand ein Kunst- und Kulturareal, das große Museen und kleine Institutionen, kulturelle Produktion und Vermittlung an einem Ort versammelt.

Andreas Groll
7., Messeplatz 1 – Hofstallgebäude – Modell
der früheren Anlage der kaiserlichen
Hofstallungen
1854
Wien Museum

Der Fuhrpark verdoppelte sich seit dem frühen 18. Jahrhundert auf über 500 Kutschen. Deshalb ließ der Oberhofststallmeister zusätzliche Gebäude, Wagenremisen und Ställe errichten. Erst um 1850 wurde das Areal im Sinne Fischers vervollständigt. Erkennbar sind diese verschiedenen Bauphasen an den naturalistischen Pferdeköpfen und der leicht unterschiedlichen Farbigkeit der Baukörper.

Viktor Katzler
Die Hofstallungen nach dem Umbau 1854
MQ Archiv

Die k. k. Hofstallungen wurden Ende des 18. und im 19. Jahrhundert stark erweitert. So hinterließen die Belagerung Wiens durch Napoleon, der Wiener Kongress und die Revolution 1848 Spuren am Gebäudekomplex. Der Trakt in Richtung Mariahilferstraße wurde verlängert. Der Architekt Paul Sprenger und der Baumeister Leopold Mayr orientierten sich ab 1851 an den Entwürfen von Fischer und dem realisierten Bau. Für die Erweiterung in den folgenden fünf Jahren wurden 300.000 Gulden veranschlagt. Heute wären das knapp über 6 Millionen Euro. Im mittleren Hof entstanden eine Winterreitschule und eine Sommerreitschule dahinter, dazu Trakte mit Ställen, Wagenremisen und Werkstätten, aber auch eine achteckige Reithalle als Manege für Kaiserin Sisi.

Der Architekt macht eine Hörprobe

Ich habe gehört, dass es im MuseumsQuartier das weltgrößte Musikinstrument gibt. Das mumok erklingt beim Klopfen auf die einzelnen Fassadenplatten. Kaiser Karl VI. hätte das wirklich gefallen. Er war so musikalisch, dass er Opern dirigierte. Was wohl die Hofkomponisten Johann Joseph Fux oder die unvergleichliche Maria Margherita Grimani für das mumok komponiert hätten?

Als ich die Hofstallungen geplant habe, habe ich sie parallel zur Hofbibliothek ausgerichtet. Hm, offenbar hat das auch den neuen Architekten imponiert. Ortner und Ortner haben das Leopold Museum auf das Kunsthistorische Museum und Naturhistorische Museum bezogen, hingegen das mumok auf die Bebauung des Spittelbergs hinter dem MQ.

Die Materialwahl ist auch interessant: Das mumok ist in dunkelgrauem Lavagestein, das Leopold Museum mit weißem Donaumuschelkalk und die Kunsthalle Wien mit rotem Klinkerziegel gestaltet. So etwas wäre zu meiner Zeit nicht möglich gewesen.

Der Architekt vergnügt sich

Ich komme aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Da wo einst die kaiserlichen Lipizzaner und Kladruber getrabt sind, ist heute ein Ort für Alle. Kunst, Kulinarik oder Freizeit – hier wird mir nicht langweilig. Ob das Wasserbecken wohl von meiner Pferdeschwemme inspiriert ist?

Der Architekt im Studio

Pferde und Kutschen braucht heute wohl keiner mehr. Es würde mich wirklich interessieren, wer in die alten Wagenremisen, Werkstätten und Wohnungen der Hofbediensteten eingezogen ist.

Oh, da arbeiten ja Künstler und Künstlerinnen! Die Artists kommen aus der ganzen Welt und treffen sich in Wien zum Austausch. Das ist so wie damals in Rom, als ich dort Gian Lorenzo Bernini und Kollegen an der Accademia di San Luca getroffen habe. Austausch ist so wichtig. Das hat mir wirklich viel weitergeholfen. Ich bin als Bildhauer angekommen und als Architekt wieder abgereist.

Der Architekt baut weiter

Ganz aufgeladen von meinen Eindrücken, brennt es mir unter den Nägeln. Ich muss unbedingt etwas BAUEN. Zu meiner Zeit habe ich die Hofstallungen mit Ziegel und Holz errichtet, doch jetzt interessieren mich diese Enzis. Vielleicht kann ich die türmen? Und als Farbe ein strahlendes „Barockgelb“.

Der Architekt legt selbst Hand an

Die Zukunft des MuseumsQuartier ist Grün! Um das MQ klimafit zu machen, sind Anpassungen nötig. Als ich die k. k. Hofstallungen plante, standen sie am grünen Glacis. Nicht einen Baum, nicht zehn Bäume, sondern 1.000 Bäume würde ich einplanen. Groß zu denken, habe ich nämlich im Blut. Lasst uns den ehemaligen Repräsentationsbau begrünen und ein Vorbild für die nächsten 300 Jahre sein.

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